«Ohne Energieberatung hätten wir komplett anders saniert»

Ein einstiges Rustico erstrahlt in frischem Terrakottarot: eine Farbe, die für die Region ty-pisch ist – genauso wie der kleine Weinberg, der an das Grundstück grenzt. Giubiasco, zehn Busminuten von Bellinzona entfernt, ist eine kleine Gemeinde, in der das Haus der fünf-köpfigen Familie Conelli steht – energetisch saniert und ausgezeichnet mit dem Minergie-A-ECO-Label des Kantons Tessin.

Das Schild mit der Auszeichnung liegt auf dem Flurschrank. Es sei kürzlich von der Fassade abgefallen, lacht der Hausbesitzer Alberto Conelli. Das scheint aber das Einzige zu sein, was bei der Sanierung schiefging. Das nun «Casa Conelli» genannte Haus ist rund 100 Jahre alt und weist noch einige alte Bauelemente auf, wie zum Beispiel das Steinportal des Hausein-gangs oder die Fensterbänke an der Fassade. Auch die Farbe – das Rot – ist nah am Origi-nal, auch wenn die jüngste Tochter der Familie Conelli gern ein blaues Haus gehabt hätte. «Wir hatten unterschiedliche ästhetische Vorstellungen», sagt der Vater diplomatisch.

Steil ragt der Fels hinter dem Haus auf, seitlich ist ein kleiner Pool im Garten – komplett ge-füllt mit aufgefangenem Regenwasser, das der Hausherr in einen Erdtank geleitet hat. Im Garten auf der rechten Seite des Hauses steht ein Neubau. Hier wohnt der Bruder des Bau-herrn mit seiner Familie. «Das Haus produziert mehr Strom, als in zwei Haushalten ver-braucht wird», erklärt Architekt Massimo Mobiglia, der für die Sanierung zuständig war. Denn das Dach des Hauses «Casa Conelli» hat seit der Sanierung keine typischen Schindeln mehr, sondern besteht komplett aus Photovoltaik-Paneelen. Neu steht im Carport vor dem Haus ein Elektroauto, das ebenfalls von der Solaranlage geladen wird. «Wir haben aktuelle und vernünftige Technik eingebaut und zusätzlich viele Details umgesetzt, die zur Optimie-rung beitragen», erklärt Energieberater Mobiglia das Vorgehen zur Sanierung.  

«Bevor du irgendetwas machst, mache eine Energieberatung»

Diesen Tipp wiederholt Alberto Conelli im Gespräch immer wieder eindringlich. Der Sanie-rungsbedarf begann in seinem Haus mit einem defekten Druckausgleichsbehälter der alten Elektroheizung, die ausserdem viel Platz wegnahm und energetisch schlecht abschnitt. «Das Schlimmste, was es gibt!», so der Energieberater. Auch das Dach war mangelhaft. Einfach nur Heizung austauschen und das Dach flicken? Für den Biologen Conelli war das nicht aus-reichend. Zum Glück kannte er durch sein Engagement in der Tessiner Sektion des WWF den Architekten und Energieberater Mobiglia, dessen Expertise er vertraute. Gemeinsam planten die Männer die Sanierung: «Wir haben mit einer Energieanalyse, dem GEAK-Plus (Gebäu-deenergieausweis der Kantone mit Beratungsbericht) begonnen, und dann verschiedene Szenarien für die energetische Sanierung entwickelt», erklärt Massimo Mobiglia. Die Familie Conelli entschied sich für das Minergie-A-ECO-Label. «Ohne die Energieberatung hätte ich komplett anders – ja, sogar falsch – saniert», fasst Conelli zusammen.

Der Hausbesitzer steht im erhöhten Teil des Gartens beim alten Stall unterhalb der Felswand und schaut erleichtert auf den neben ihm stehenden Architekten, das glänzende Solardach seines Hauses im Blick: «Ich war mutig und habe mehr Geld ausgegeben, als ich eigentlich wollte, bin aber unglaublich froh darüber.» Gut ein Drittel der Investitionen konnte durch Fördermittel abgedeckt werden. «Auch für Minergie-A und Minergie-ECO gab es zusätzlich Fördergelder – sowohl vom Kanton Tessin als auch vom Bund», fügt der Architekt hinzu.

Die Gebäudehülle im Fokus

Ein gutes halbes Jahr dauerte der Umbau im Jahr 2021; erworben hatte die Familie das Haus 2017. Als die alten Fenster durch neue dreifach verglaste Fenster ersetzt wurden, zogen die Conellis für drei Monate mit dem Nötigsten in eine nahe gelegene Ferienwohnung – alle Möbel blieben im Haus und wurden abgedeckt. «Das war schon etwas mühsam, aber machbar», fasst Conelli zusammen. Die Elektroheizung mit grossem Kessel wurde durch eine Wärmepumpe ausgetauscht, die im Schuppen des Hauses untergebracht ist. Obwohl im Inneren des Hauses nicht saniert wurde, verbesserte sich dadurch das Wohnklima deutlich. Das Haus ist im Winter warm; in den eher heissen Tessiner Sommern bleibt es kühl. «Wir konnten die Heizkosten reduzieren und die Temperatur des Haues bleibt recht konstant seit der Sanierung», so Conelli. Unter der sanierten Dachkonstruktion, die zudem etwas angehoben wurde, wurde ein Estrich aufgebracht, um Platz für die Belüftungstechnik zu schaffen. Die dicken Steinwände des Rusticos wurden aussen nochmals mit einer Dämmung von 15 Zentimetern versehen, durch die die Rohre der neuen Belüftung sowie diverse Kabel laufen. Mehr als 25 Jahre Erfahrung bringt Architekt Mobiglia mit, der inzwischen nur noch als Energieberater arbeitet. Er weiss: «Der erste Schritt zur Reduzierung des Energieverbrauchs ist die Optimierung der Gebäudehülle. Man muss ein Haus nicht unbedingt mit Technik füllen.»

Einkommen durch Solardach

Der Verkauf von überschüssigem Strom, den das Solardach produziert, wurde zu einem fi-nanziellen Bonus. Conelli: «Fast 5000 Franken pro Jahr bekomme ich vom lokalen Stroman-bieter. Finanziell war die Sanierung ein kompletter Erfolg.» Auch diese spielte dem Hausbe-sitzer die steigenden Strompreise in die Hand. Der kalkulierte Preis pro abgenommener Ki-lowattstunde ist seit der ersten Planung auf das Vierfache gestiegen.

Zufrieden schauen sich die Männer an. «Ich kann die Energieberatung von Massimo nur emp-fehlen und möchte tausendmal Danke sagen», sagt Alberto Conelli. Massimo Mobiglia lä-chelt, bückt sich und pflückt tatsächlich ein vierblättriges Kleeblatt aus dem üppigen Grün des Plateaus. Die Natur gibt den Umweltschützern etwas zurück.


Übersicht Fördergelder

1. Das Gebäudeprogramm (Bund)
Dachsanierung: 7680 Franken (Fr.)
Wärmedämmung  der Aussenwände:  16’680 Fr.
Wärmedämmung der Wände gegen den Boden:  2940 Fr.
Fenster: 1800 Fr.
Total 29’100 Fr.

2. Kanton TessinMinergie-A-Label: 69’840 Fr.
Ergänzung Minergie-ECO-Label: 10’000 Fr.
Gesamtförderung energetische Sanierung: 108’940 Fr.

Energetische Massnahmen

– Wärmedämmung der Gebäudehülle (Energiebezugsfläche: 289,3 m2)
– Heizung und Warmwasser: 100 % Wärmepumpe
– Kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung
– Minergie-Zertifizierung A-ECO (2021)

Förderung Photovoltaik (ausserhalb des Gebäudeprogramms)
Pronovo: 11’580.8 Fr., FER (Kanton Tessin): 3860 Fr.