Stroh als Wärmedämmmaterial wiederentdeckt
Die Verwandlung eines älteren Fabrikgebäudes zeigt, wie mit einfachen Mitteln die Energieeffizienz deutlich verbessert und gleichzeitig ein architektonisches Zeichen gesetzt werden kann.
Gelegentlich bleiben Spaziergängerinnen und Spaziergänger, die entlang der Aare flanieren, stehen, um von dem Gebäude mit der auffällig geschwungenen Fassade aus Bambusrohren ein Foto zu machen. Was nicht sichtbar ist: Dem Gebäude der Complemedis AG, das in einem kleinen Industriegebiet bei Olten steht, wurde bloss ein neues Kleid übergezogen, um die wertvollen Rohstoffe im Innern besser vor Wärme und Kälte zu schützen. Das verwende-te Material hat jedoch auch Symbolcharakter: Das Pharmaunternehmen stellt aus Kräutern und Extrakten traditionelle chinesische Medizin her. Hinter der eleganten Fassade steckt hingegen ein ganz gewöhnliches Fabrikgebäude aus den 70er-Jahren, in dem ursprünglich Brillengläser produziert wurden.
«Stroh ist das billigste und natürlichste Dämmmaterial.»
Billig wie Stroh
«Die Kräuter brauchen ein natürliches und trockenes Klima.» Severin Bühlmann, Arzt und Firmeninhaber, recherchierte lange. Herkömmliche synthetische Dämmmaterialien kamen nicht in Frage – eine Wärmedämmung aus Steinwolle wäre für das grossflächige Fabrikgebäude enorm teuer geworden. Dann stiess Bühlmann auf ein altbewährtes, günstiges Dämmmaterial: Stroh – und auf Werner Schmidt aus Trun (GR), einen ausgewiesenen Fachmann für Strohbauten. «Stroh ist billig, ökologisch und langlebig – was wollen Sie mehr?», so Schmidt. Als Beweis führt der Architekt bestens erhaltene Strohbauten aus dem frühen 20. Jahrhundert ins Feld, und auch Teile der 4000 Jahre alten Chinesischen Mauer seien mit Stroh und Lehm befestigt. Es handelt sich also um einen bewährten Rohstoff mit besten Eigenschaften, wie Schmidt betont. Zudem enthalte Stroh sehr viel weniger graue Energie als andere Dämmmaterialien, weil es lokal produziert werde und eigentlich ein Restprodukt sei.



Ein funktionaler Blickfang
Die Behörden verlangten etwas mehr Überzeugungsarbeit: Schmidt musste nicht nur die gu-te wärmedämmende Wirkung von Stroh belegen, sondern auch, dass alle Brandschutzvor-schriften erfüllt werden können. Die 52 cm breite Dämmschicht aus Stroh steckt in vorgefer-tigten Holzkassetten. Die Bambusrohre, die die Fassade verkleiden, dienen nicht nur der Ästhetik, sondern sorgen für Beschattung und tragen so zu einem angenehmen Klima im Innern des Gebäudes bei. Der Transportweg ist zwar länger, aber dafür zeichnet sich Bam-bus durch schnellen Wuchs, häufige Ernte, eine hohe CO2-Speicherkapazität und Langlebig-keit aus. Der Energieverbrauch des Gebäudes hat sich seit der Sanierung mehr als halbiert.
Auch dank der Unterstützung durch Das Gebäudeprogramm wurde dieses Pionierprojekt möglich. «Unser Beispiel zeigt, dass man ein älteres Gebäude mit einfachen, natürlichen und relativ günstigen Mitteln energetisch sanieren und dabei auch Originalität beweisen kann», ist Bühlmann überzeugt.

Wirtschaftlichkeit
Investitionen in die Erneuerung | ~ 383’000 Franken (Fr.) |
---|---|
Förderbeiträge inkl. Steuerabzügen | ~ CHF 220'200 Fr. |
Eingesparte Energie- und Betriebskosten (Barwert) | ~ CHF 122'000 Fr. |
Berechnungsgrundlage: grobe Schätzung Fachperson.
Jährlicher Energiebedarf
Vor der Erneuerung | ~ 51,0 Kilowattstunden (kWh)/m2 Energiebezugsfläche (EBF) |
---|---|
Nachher | ~ 32,0 kWh/m2 EBF |
Berechnungsgrundlage: Schätzung auf Basis der U-Wert-Berechnung einzelner Bauteile