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Der Traum vom genossenschaftlichen und klimafreundlichen Wohnen

Gemeinsam haben sich die Genossenschafter der «Coopérative i6» mit viel Ausdauer ihren Traum vom bezahlbaren, klimafreundlichen und urbanen Wohnen erfüllt.

«Es war wirklich ein sehr emotionaler Moment.»

Für die Stadt Lausanne war es ein Versuchsballon, für sechs befreundete Parteien ein Traum: 2011 beschloss der Stadtrat, das baufällige, aber geschichtsträchtige Eckhaus, das den Eingang zum charmanten Vallon-Quartier markiert, im Baurecht öffentlich auszuschreiben. Den Zuschlag sollte erhalten, wer die beste Idee präsentierte für eine ökologisch, finanziell und sozial nachhaltige Nutzung, die auch den Auflagen des Denkmalschutzes genügte. Denn das 1887 errichtete Gebäude ist ein wichtiger historischer Zeuge – die Bauherrschaft musste garantieren, dass der ursprüngliche Charakter des Gebäudes als Dreh- und Angelpunkt im ehemaligen Arbeiter- und Industrieviertel erhalten blieb.

Ein emotionaler Moment

Aus den zahlreich eingegangen Vorprojekten ragte dasjenige der «Coopérative i6» heraus. Die «Coopérative i6» bilden sechs befreundete Parteien, die – jeder für sich – seit längerem auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum in der Stadt Lausanne waren und die Vision vom genossenschaftlichen, klimafreundlichen und urbanen Wohnen teilten. Die Mitglieder, darunter auch Architekten, machten sich gemeinsam an die Ausarbeitung eines Vorprojekts. Bewertet wurden die Kriterien Energieeffizienz, Erhaltung der bauhistorischen Bedeutung, nachhaltige Finanzierung sowie auch soziale und gesellschaftliche Aspekte. Das oberste Ziel der Stadt war nicht die Renditemaximierung, die künftige Nutzung sollte in erster Linie zum Charakter des quirligen Quartiers passen, das durch Verkehrsberuhigungsmassnahmen und Begrünung gerade eine Aufwertung erfuhr.

Die «Coopérative i6» reichte ihr Projekt ein. Das Warten auf den Entscheid begann. Die Mitglieder der «Coopérative i6» erinnern sich freudig an den Moment, als sie vom Sieg ihres Projekts erfuhren: «Es war wirklich ein sehr emotionaler Moment. Kein anderes Projekt konnte alle fünf gestellten Anforderungen der Stadt so gut erfüllen wie das unsrige.» Als grosser Vorteil erwies sich, dass sie mit Architekt Olivier Rochat auf einen erfahrenen «Sanierer» historischer Bausubstanz vertrauten.*

* Olivier Rochat war als Architekt an der Sanierung von Gebäuden im historischen Dorfkern der Waadtländer Gemeinde Prangins beteiligt, die 2021 mit dem Wakkerpreis des Schweizer Denkmalschutzes ausgezeichnet wurde.

Ausschreibung gewonnen, aber ein langer Weg bis zur Baubewilligung stand bevor

Die Baupläne sahen sechs Wohneinheiten, eine gewerbliche Nutzung des Erdgeschosses sowie den Ausbau des Dachstocks und des Kellers vor. Ein früherer Dachbrand hatte das historische Arbeiterhaus mit Baujahr 1887 zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen. Das erwies sich nun sogar als Vorteil, weil es den Ausbau des Dachstockes erlaubte, da dieser nicht mehr im Inventar war. Die Genossenschafter hatten im Vorprojekt aufgezeigt, dass es möglich war, die Minergie-Anforderungen (Standard Renovation) zu erfüllen und gleichzeitig dem Denkmalschutz Rechnung zu tragen. Ihr Projekt verstand es, nicht bloss das äussere Erscheinungsbild des Gebäudes zu erhalten bzw. wiederherzustellen, sondern die Geschichte des Hauses weiterzuschreiben.

Der Traum drohte zu platzen

Die Liegenschaft, die an ein historisches Speichergebäude anschliesst, ist in der «Kategorie 3» der schützenswerten Objekte des Kantons Waadt aufgeführt – was sich als Knacknuss erwies. Die Kategorie eins und zwei bilden die wichtigsten historischen Denkmäler, da hat der Denkmalschutz Vorrang. Umgekehrt überwiegt ab Kategorie vier das Energieargument. Dazwischen sind die Bauherren auf eine gewisse Kompromissbereitschaft angewiesen. Olivier Rochat erläutert: «Weder die Energiefachstelle noch die Denkmalpflege bewilligten die Pläne für die Fassadensanierung.» Für die Energiefachstelle war die dünne Schicht wärmeisolierender Kalkverputz zu wenig Dämmung, für die Denkmalpflege bereits zu viel Veränderung der Fassadendekoration. Für eine Baubewilligung brauchte es aber die Zustimmung beider Ämter, ebenso, um die Fördergelder zu erhalten, ohne die der Umbau nicht finanzierbar gewesen wäre. Das Projekt drohte zu scheitern.

Kompromiss gefunden

Es kam zum Glück anders. «Wir konnten aufzeigen, dass wir die für den Minergie-Standard erforderliche Energieeffizienz auch erreichen konnten, indem wir Dach, Fenster, Kellerboden und das Erdgeschoss innerhalb der Mauern mit einer zusätzlichen Dämmschicht ausstatteten», erklärt Rochat. Zudem wurde eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung eingebaut und die Radiatoren ersetzt. Beheizt wird die Liegenschaft mit Fernwärme. Auch die Denkmalschutzbehörde hiess nach mehreren Interventionen ihre Pläne gut, die Fassade strassenseitig in den Originalzustand zurückzuversetzen, auf der Rückseite jedoch Balkone für mehr Wohnkomfort zu ergänzen. Der Umbau dauerte knapp ein Jahr.

«Das Wohnklima ist ausgezeichnet.»

Lebhafte Urbanität

Strassenseitig und im Treppenhaus verströmt das Haus den Geist der alten Tage. Das markante Treppenhaus bildet weiterhin den Mittelpunkt des Gebäudes, auch wenn nun alle Wohnungen moderne Komfortstandards aufweisen und man das Wasser nicht mehr im Flur holen muss. Auf der Rückseite des Gebäudes herrscht hingegen fröhliches urbanes Leben mit üppig bepflanzten Balkonen – aussenseitig angehängt, so dass keine Wärmebrücken entstehen – und einem hübschen Innenhof. Den Lukarnen sieht man von aussen nicht an, dass sie punkto Lärm- und Feuchtigkeitsschutz, Wärmedämmung und Statik das Resultat höchster Ingenieurkunst sind. «Das Wohnklima ist ausgezeichnet, auch bei Sommerhitze und nun gerade aktuell auch im Homeoffice», zieht der Präsident der Genossenschaft, Nicolas Lemmin , eine positive Bilanz – auch wenn der Weg dorthin mindestens so viel Ausdauer abverlangte, wie wenn man vom Bahnhof aus zu Fuss zum Quartier Vallon hochsteigt.

Übersicht Fördergelder


Energetische Massnahmen


Isolierung der Gebäudehülle (Energiebezugsfläche 1'297 m^2)


Heizung und Warmwasser 100% Fernwärme


Kontrollierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung


Minergie zertifiziert (2017)



Fördergelder

1. Gebäudeprogramm (Bund und Kanton Waadt)

Dachdämmung CHF 16'030
Isolation der Wände gegen aussen CHF 1'260 
Isolation von Wänden gegen den Boden CHF 750
Wanddämmung gegen unbeheizte Räume CHF 280
Minergie-Label CHF 36'510
Total CHF 48'580

2. Stadt Lausanne

Erneuerung der Leuchtmittel CHF 1'172