«Die Investitionen in die Energieeffizienz haben sich rasch ausbezahlt»

Das Hotel ZERMAMA in Zermatt wurde 2019 gesamtsaniert. Es wird seither mit Holzpellets aus dem Oberwallis beheizt, die mit Elektrolastwagen angeliefert werden. 

Zermatt ist geschäftig. Wie immer. Doch bei unserem Besuch Anfang Mai drängen nicht Touristen, Bergsteigerinnen und Skifahrer durch die Gassen des Bergdorfs. Vielmehr sind es Handwerkerinnen und Bauarbeiter. An allen Ecken und Enden wird gebaut, geflickt, saniert, erweitert, ersetzt, erneuert und verschönert. Zwischensaison ist Bausaison. In den wenigen Wochen bevor die Sommersaison startet, dürfen ausnahmsweise Lkws Baumaterial in das sonst autofreie Bergdorf liefern. Bis im Sommer, allerspätestens bis zur Eröffnung der Wintersaison bei grösseren Sanierungs- oder Bauprojekten, muss alles fertig sein. In diesem Jahr werden in Zermatt – wie andernorts auch – besonders viele Ölheizungen ersetzt. Vom Sanierungs-Trubel ausgenommen ist das Hotel ZERMAMA – das fünfstöckige, trapezförmige Gebäude mit der auffälligen Holzfassade liegt zentral zwischen Vispbach und Gornergratbahn, mit freiem Blick aufs Matterhorn. 

«Wir haben viel investiert. Das hat sich jedoch rasch ausbezahlt, besonders jetzt, wo die Energiekosten stark steigen.»

Die Zwischensaison nutzen

Das Hotel ZERMAMA wurde 2019 gesamtsaniert. Drei Jahre nach der Modernisierung besteht daher kein Erneuerungsbedarf. So bleibt das Hotel ZERMAMA als eines der wenigen Häuser im Ort ganzjährig geöffnet und ist auch jetzt in der Zwischensaison gut ausgelastet. Dennoch nimmt sich die Inhaberin Sandrine Julen viel Zeit für einen ausführlichen Rundgang. Sie hat das Hotel ZERMAMA, das vor der Sanierung Admiral hiess und als Garni geführt wurde, 2018 von ihrer Tante übernommen. Mit Unterstützung ihrer Familie wurde das einfache Garni zu einem komfortablen, modernen und klimafreundlichen Design- und Lifestyle-Hotel um- und ausgebaut.

Geprägt von der Erdölkrise

Der neue Name ist Grossmutter Mariette sowie ihrer legendären Küche und Gastfreundschaft gewidmet. «Wir haben nach Ostern 2019 die Türen geschlossen und pünktlich zur Wintersaison wiedereröffnet», erzählt Sandrine Julen. In den sieben Monaten wurde das Gebäude in den Rohbau zurückversetzt, der Grundriss leicht vergrössert und danach von innen her quasi neu gebaut. Alle Zimmer sind komplett renoviert, ebenso Küche, Restaurant, Bar, Lingerie und der Weinkeller. Der Frühstücksraum wird von Gästen und Einheimischen tagsüber rege als Co-Working-Space genutzt. Das Design ist modern, die Atmosphäre weiterhin familiär. Gearbeitet wurde mit lokalen, warmen Materialien. Die Bauherrin konnte auf einem soliden Fundament aufbauen: «Das Admiral war einst das bestgedämmte Gebäude in Zermatt», berichtet sie. Angesichts der Erdölkrise hatte ihre Familie beim Bau 1978 viel Wert auf Energieeffizienz gelegt. 

Jede eingesparte Kilowattstunde zählt 

Trotzdem war das energetische Verbesserungspotenzial gross: Dank moderner Dämmtechnologie mit Wärmerückgewinnung und dem Umstieg auf erneuerbare Holzenergie konnte die GEAK-Klasse des fünfstöckigen Gebäudes um vier Klassen (von F auf B) verbessert werden. Und einmal mehr sollte sich die Weitsicht der Familie Julen in Sachen Energieeffizienz auszahlen – auch wenn sie den jetzigen Ölpreisanstieg kaum voraussehen konnte. «Wir haben viel investiert. Das hat sich jedoch rasch ausbezahlt, besonders jetzt, wo die Energiekosten stark steigen.» Die Hotellerie ist energieintensiv. Im Mittel machen die Energiekosten rund drei Prozent des Umsatzes aus – in den Bergen oft auch deutlich mehr, da die Zimmer im Winter stark geheizt werden müssen. Da lohnt sich jede Kilowattstunde, die eingespart werden kann.

Sind energetische Sanierungen deshalb bereits so selbstverständlich, dass man sie nicht mehr speziell erwähnen muss? Auf der Website des Hotels ZERMAMA sucht man vergeblich nach Informationen zur hervorragenden CO2-Bilanz des Betriebs, der zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie aus Holzpellets beheizt wird. Sandrine Julen lacht, als wir sie auf das fehlende Klimalabel ansprechen: «Daran haben wir nicht gedacht, nachhaltig zu handeln ist für uns selbstverständlich. Das müssen wir unbedingt nachholen.» Ökologische Nachhaltigkeit werde von den Gästen geschätzt und zunehmend auch erwartet.

Lokale Holzpellets zum Heizen

Zermatt setzt seit einigen Jahren vermehrt auf Holzpellet-Heizungen. Diese werden in einer Pelletfabrik zwischen Zermatt und Täsch gepresst, aus lokalem Holz aus dem Oberwallis. Das rund um Zermatt zahlreich anfallende Sturm- und Abfallholz, für dessen Entsorgung die Gemeinde bislang hohe Auslagen hatte, kann für die Herstellung von Pellets verwendet werden. Das Werk läuft vollautomatisch, 24 Stunden am Tag. Die Pellets werden anschliessend in eigens dafür entwickelten Elektro-Pelletlastwagen angeliefert und über eine elektrisch betriebene Einblasvorrichtung lärm- und fossilfrei in die Lager gefüllt. 

Das Hotel ZERMAMA benötigt pro Jahr rund 40–45 Tonnen Pellets. Das sind zwei Tankladungen zu je drei Tonnen alle zwei Monate. «Pellets brauchen mehr Volumen als Erdöl, bei dem zwei Anlieferungen pro Jahr genügten», erklärt Sandrine Julen die etwas aufwändigere Logistik. Doch sind die Lager aufgefüllt und die Heizungsparameter richtig justiert, verursacht das klimafreundliche Heizsystem nur einen geringen Wartungsaufwand. 

Optimierte Haustechnik spart Energie

Heizung und Dämmung sind die beiden grossen Stellschrauben für Energieeffizienz. Doch auch im Hotelbetrieb, in der Küche, der Lingerie und bei der Bewirtschaftung der Zimmer lassen sich Energie und Kosten sparen. Im Hotel ZERMAMA wird die Abwärme der Lingerie und der elektrischen Geräte ebenso zur Energiegewinnung genutzt wie der Bioabfall, der zweimal wöchentlich durch die Gemeinde eingesammelt und zu Biogas vergärt wird. Zimmertemperatur und Licht werden über Sensoren gesteuert. «Wenn es einem Gast zu kalt ist, regeln wir die Temperatur über eine App an der Reception. Wenn es zu warm ist: Fenster öffnen und die frische Bergluft geniessen», räumt Sandrine Julen auch gleich mit der hartnäckigen Mär auf, dass bei sanierten Liegenschaften die Fenster möglichst geschlossen bleiben müssten. 

Und während sich in den grossen Schweizer Städten die Politik um Regeln für stromfressende Heizpilze auf den Restaurant-Terrassen bemüht, werden diese im Hotel ZERMAMA mit erneuerbarer lokaler Energie betrieben: Eine Portion Holzpellets reicht für einen gemütlichen Abend auf der Terrasse. 


Hotellerie holt beim Sanieren auf
Viele Schweizer Hotels sind sanierungsbedürftig. Nur ein Fünftel aller Schweizer Hotelbetriebe wurde umfassend modernisiert. Obwohl die Energiekosten einen wesentlichen Kostenfaktor darstellen, findet oft nur eine Pinselrenovation statt, wie eine Umfrage von HotellerieSuisse (2021) zeigte. Es fehlen die Mittel und in Saisonbetrieben auch die Zeit: Um Schliessungen möglichst kurz und damit die Ertragsausfälle möglichst gering zu halten, wird in mehreren kleinen Schritten saniert. Priorität haben Bereiche, die vom Gast gesehen werden, wie Zimmer und Wellness-Bereich. Doch zunehmend findet ein Umdenken statt. Die Hotels erkennen, dass sich die Investitionen bereits nach wenigen Jahren auszahlen, auch dank der Fördergelder aus dem Gebäudeprogramm, und dass mit einer guten Planung Gesamtsanierungen auch in relativ kurzer Zeit möglich sind. Hinzu kommt der sanfte Druck der Gäste, die Nachhaltigkeit nicht nur schätzen, sondern immer öfter auch verlangen. Mit «Swisstainable» hat HotellerieSuisse ein neues nationales Label geschaffen, das nachhaltige Hotels in der Schweiz auszeichnet. 


 


Erneuerbar Heizen in den Bergen 
Im Mittelland haben Hausbesitzende schon fast die Qual der Wahl, mit welchem erneuerbaren Heizsystem sie ihre Öl- oder Gasheizungen ersetzen sollen. Anders in den Bergen: In Höhenlagen über 1200 Meter reichen Wärmepumpen oft nicht aus oder verbrauchen zu viel Strom, weil die Winter kalt sind. Auch Erdbohrungen sind aufgrund der geologischen Lage oft nicht möglich. Hingegen sind Ressourcen wie Holz, Sonne und Wind in grosser Menge verfügbar – was lokale und auch innovative Lösungen fördert. In den Bergen bieten deshalb Holzpellet-Heizungen eine gute Alternative zu Öl- oder Gasheizungen. Wesentliche Aspekte dabei sind die Logistik, die Transportwege und die Skalierbarkeit, die in Zermatt Schritt für Schritt angegangen werden.