Sonne, Luft und die Nachbarn liefern Energie

Die Bewohnerinnen und Bewohner der Wohnbaugenossenschaft La Paix in Nyon bilden eine Verbrauchergemeinschaft, in der sich alle gegenseitig mit Strom und Wärmeenergie unterstützen.

Die glänzenden Solarpanels auf den Dächern zeugen von einer energetischen Modernisierung. Doch abgesehen davon erschliesst sich nicht auf den ersten Blick, was das beschauliche Quartier La Paix in Nyon zu einem innovativen Vorzeigeobjekt macht. Die Gebäude wirken gut unterhalten, aber unspektakulär. Die Wohnbaugenossenschaft La Paix wurde 1946 gegründet. Sie zählt neun Mehrfamilienhäuser mit 104 Wohnungen im Quartier (gesamthaft 11 Gebäude und 127 Wohnungen). Was von aussen nicht zu sehen ist: Das ganze Quartier wird seit der Sanierung in zwei Etappen (2018 und 2021) mit erneuerbarer Energie versorgt.

«Die ganze Siedlung bildet eine nahezu autarke Verbraucher-gemeinschaft»

Wirtschaftlichkeit als Bedingung

Im Gespräch mit der Bauherrschaft erfahren wir, dass hinter den unscheinbaren Fassaden ein durchdachtes Konzept steckt, das eine kosteneffiziente energetische Modernisierung ermöglicht. «Die ganze Siedlung bildet eine nahezu autarke Verbrauchergemeinschaft», erklärt Michel Piguet, der Präsident der Genossenschaft La Paix, mit Stolz, zumal diese Form in der Schweiz noch selten sei. Dabei stand am Anfang der Sanierung kein grosser visionärer Plan, sondern der Wunsch der Genossenschaft, ihre Dächer für Solarenergie zu nutzen und so einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Und obwohl Wirtschaftlichkeit nie das Hauptziel war, spielte sie von Anfang an eine wichtige Rolle: Die Mieten durften durch die Investitionen nicht steigen. Vielmehr erhoffte sich die Bauherrschaft eine Reduktion der Energiekosten für ihre Mieterinnen und Mieter. Finanziert wurde die Sanierung über den Erneuerungsfonds der Genossenschaft. «Wir sind eine Genossenschaft für Familien und Personen mit kleinen und mittleren Einkommen», so Sandrine Du Pasquier, die Geschäftsführerin der Genossenschaft. 

GEAK zeigt Handlungsbedarf auf

Die Firma Impact Living wurde mit der Projektleitung beauftragt und begann mit einer umfassenden Ist-Analyse, indem sie einen GEAK (Gebäudeenergieausweis der Kantone) erstellte. «So können wir systematisch erkennen, wo Handlungsbedarf besteht und wo nicht», erklärt Projektleiter Tobia Wyss. Die Experten empfahlen ein ganzheitliches Vorgehen sowie die Umstellung des Heizsystems auf erneuerbare Energien. Als Vorteil erwies sich, dass die Gebäudehüllen bereits gute Dämmwerte aufwiesen. Eine zusätzliche Dämmung wäre aus Kosten-Nutzen-Sicht nicht effizient gewesen, befanden die Ingenieure. Hingegen ging viel Wärme über die ungedämmten Dächer und Aussenleitungen verloren. Hier galt es anzusetzen, um die Voraussetzungen für einen Heizsystemwechsel auf erneuerbare Energien zu schaffen.

Man einigte sich auf ein etappenweises Vorgehen. Zuerst sollte als Pilotprojekt das Haus Nummer fünf saniert werden. Die Dachfläche wurde mit Holzwolle gut gedämmt, Solarpanels montiert und die Gasheizung durch eine Luft-Wasser-Wärmepumpe ersetzt. Das Resultat überzeugte hinsichtlich Energieeffizienz und Wohnkomfort. Die Dachdämmung, die im Winter die Wärme im Haus behält, wirkt im Sommer als Hitzeschutz. Die Genossenschaft gab grünes Licht für die Sanierung der übrigen Liegenschaften.

Eine Wärmepumpe für jedes Gebäude

Jedes Haus wurde mit einer eigenen Wärmepumpe ausgestattet, die innerhalb der Liegenschaft, von aussen unsichtbar, eingebaut wurde. «Für diesen Typ Mehrfamilienhaus gibt es heute zuverlässige Standardlösungen», erläutert Tobia Wyss das Konzept. Dies sei aktuell günstiger als eine zentrale Wärmepumpe für alle Gebäude. Ausserdem konnte so der Wärmeverlust in den Aussenleitungen vermieden werden. Die kleineren Mehrfamilienhäuser mit sechs Wohnungen erhielten eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, bei den grösseren Gebäuden mit 16 Wohneinheiten wurde eine leistungsstärkere Erdsonde gebohrt. 
Die Massnahmen reduzierten den Heizbedarf des Quartiers um 20 % und den CO2-Ausstoss um 90 %.

Diversifizierte Energieversorgung

Die Herausforderung stellen die Peak-Zeiten dar: abends, wenn in allen Wohnungen gleichzeitig der Bedarf an Strom und Warmwasser steigt, die Sonne aber nicht mehr scheint – besonders angesichts von drohenden Energieengpässen und möglichem Mangel. An dieser Stelle kommt Visionäres ins Spiel: Das neue Smart-Grid des Quartiers wird im nächsten Jahr mit Batterien und speziellen Hybrid-Wechselrichtern ausgestattet, welche die Back-up-Autonomie bei einem Netzausfall gewährleisten sowie den Eigenverbrauch steigern. Dadurch werden die Voraussetzungen geschaffen, dass sich, wie es das Konzept von Impact Living vorsieht, E-Mobilität und Versorgungssicherheit ergänzen können. «Alle Parkplätze auf dem Areal sind mit Anschlüssen für E-Mobilität ausgestattet. Die leistungsstarken Batterien der E-Autos, die tagsüber aufgeladen werden, könnten abends als Reserve-Batterie genutzt werden und, wenn nötig, Strom zurück ins Netz speisen», erklärt Tobia Wyss den innovativen Ansatz. Doch das ist vorläufig noch Zukunftsmusik. Heute stellen der gut diversifizierte Energiemix und ein ausgeklügeltes Monitoring der Verbrauchsdaten die Versorgung sicher. «Der Energiefluss zwischen den Häusern ist flexibel und wird durch ein intelligentes Smart-Meter-System laufend optimiert», erläutert Wyss. Die zentrale Gasheizung blieb als Back-up bestehen, aber bevor das Gas angezapft wird, helfen sich die Genossenschafterinnen und Genossenschafter, die jetzt auch eine Verbrauchergemeinschaft sind, gegenseitig mit Energie aus. So geht Nachbarschaftshilfe.


Sanierung der Wohnbaugenossenschaft La Paix in Nyon (VD)
9 Mehrfamilienhäuser, 104 Wohnungen, 300 Bewohnerinnen und Bewohner
Baujahr: ältere Gebäude: 1948–1956, zwei neuere Gebäude 2012 (Minergie-Standard)

Energetische Massnahmen:
Dachdämmung: 1800 m2 
Installation von Wärmepumpen: 300kW
Installation Photovoltaik: 335 kWh
Anschlüsse für E-Mobilität

Weitere Arbeiten:
Ersatz der Aussenbeleuchtung, Begrünung Wirtschaftsgebäude (Erhalt Biodiversität), Entkalkung der Brauchwasserleitungen, Fassadenanstrich, Sanierung und Aufwertung der Elektrizitätsinfrastruktur

Gesamtinvestition: 5’300’000 CHF (davon energetisch: 85 %) 
Subventionen Gebäudeprogramm: 330’000 CHF
Subventionen gesamt: 600’000 CHF